
Anschließend sagte Thomas, multilingual gebildet wie er nun mal ist, das Stück Chega de Saudade mit seinem englischen Titel an (No More Blues). Daraufhin ermittelten die Saxophone,
linguistisch gebildet wie sie nun mal sind, das bedeutungsstärkste Morphem im Titel ("Blues") und legten folglich Afro Blue auf. Was zu einem interessanten Klangbild führte, denn die anderen Sätze hatten Chega de Saudade aufliegen. Dies schwächte die Verhandlungsposition der Damen und Herren Holzbläser bei nachfolgenden Ausrutschern ("in die Pause gespielt", "Einsatz verpasst", "Vorzeichen übersehen") natürlich deutlich. Einzig Paul C. wusste zu punkten, als er Thomas' rhetorische Frage, was denn bitte der Unterschied zwischen Noten und Musikzeichen sei, wie aus der Pistole geschossen mit einem entschiedenen "Pausenzeichen sind keine Noten" parierte.

Vor dem nächsten Stück entwickelte Thomas einen Business-Plan für unseren Pianisten
Frank W., der sich mit einer spontan zum Besten gegebenen, lustigen Faschingsmelodie nach vorne gedrängt hatte. Unser CMO erläuterte: "Du spielst einfach 50 Karnevalsveranstaltungen und verlangst jeweils 300 Euro. Das macht 9.000 Euro für dich!" Da fragt man sich im ersten Moment, wie der Gute es so weit bringen konnte. Aber der Erfolg gibt ihm natürlich recht. Vermutlich war sein Plan, Frank um die Differenz von 6.000 Euro zu prellen und das Ganze als Beratungsgebühr zu deklarieren. Der Mann weiß eben, wie man weiterkommt.

Anschließend lag ein Arrangement von Tom Scotts Back Burner auf, das unser Gast Peter H. eigens für die SAP BIG BAND arrangiert hatte. Thomas spielte hier das zweite Solo in dieser Probe (das gibt es nur extrem selten, Pech für alle, die nicht da waren). Mittendrin hielt er kurz inne (und die Band mit ihm), um sich mit der Rhythmusgruppe über die "Changes" zu ver
ständigen (ich würde eigentlich Akkorde dazu sagen, aber dann schimpft Thomas mich wieder). Nachdem er diese im Detail auseinanderbuchstabiert hatte, gewann Jens W. (git) mit einem sehr coolen "steht doch da" kurz Oberwasser. Allerdings nicht für lange Zeit. Im nächsten Durchgang fuhren die Rhythmiker bei einem Tonartwechsel nämlich kollektiv vor die Wand, was Thomas dann ebenfalls mit "steht doch da" kommentierte. Mehr hat er nicht gesagt, und ich glaube, er hat es ein bisschen genossen. Man könnte zur Verteidigung der Rhythmusgruppe anführen, dass die Bass-Noten nicht vorlagen. Das mache ich aber nicht. Uns Trompetern schenkt auch niemand etwas, also was soll das.

Zum guten Schluss kam dann doch noch Afro Blue, das die Saxophone vorher schon mal auf den Pulten liegen hatten. Ich selbst hatte wieder mal nicht zugehört, und hatte deshalb (obwohl ich ja gar nicht Saxophon spiele) das falsche Stück, nämlich Con Alma, aufliegen. Was die Saxophone beim Lesen dieser Zeilen sicher freuen wird. Das Problem war jedoch schnell behoben, da ich über eine alphanumerisch sortierte und vorschriftsmäßig geklebte Notensammlung verfüge. Ich hoffe, Thomas liest das. Denn bei meinem eingeschränkten Potenzial als Trompeter muss ich schon an und ab mit Sekundärtugenden punkten, um an der Spitze zu bleiben.
Lieber Hendrik,
AntwortenLöschendas ist ja das traurigste Bild vom Zuckerhut das ich je gesehen habe. Weit und breit sind keine Girls von Ipanema zu sehen - nicht mal eine! Kein Wunder, dass wir das Stück so inhaltsfrei wie strandleer gespielt haben. Ich halte es für keinen Zufall, dass Du diese Bild ausgewählt hast. Ich stehe beim Latin vor einer ganz großen Herausforderung - einer emotionalen und intelektuellen. Ich bin von Rio meilenweit entfernt. Mir geht es so wie der deutschen Fußballmannschaft, wenn sie den Brasilien gegenüberstehen. Nüchterne Schwerstarbeiter gegen verspielte Ballzauberer.
Also zeig einen Zuckerhut mit wunderschönen "Doppel-Bällen" herrum, um die es beim Latin geht. Dann explodiert die Inspiration und die Spielfreude.
Herzliche Grüße vom Konsul.