Angepoppt: Probe am 12. März 2008

Die heutige Probe begann mit einem Knalleffekt: Es war so um kurz nach sieben. Die Band war noch mit dem Aufbau beschäftigt. Plötzlich wurden alle von einem heftigen Krachen aufgescheucht, und das Unfassbare war passiert: Frank W. hatte nicht aufgepasst, und das neue nord-Keyboard, dass er sich vom Munde abgespart hat, war vom Rollwagen gerutscht. Zum Glück bewahrt er das gute Stück aber mittlerweile in einem robusten Koffer auf, und nicht mehr in dem Leichensack, mit dem er zu Beginn immer in der Probe aufkreuzte. Sonst hätte er die Einzelteile vermutlich gleich in selbigem beerdigen können. So aber konnte Frank nach kurzem Schreck Entwarnung geben und uns dann gleich beim ersten Stück, Big Time, mit süßen Orgelklängen verwöhnen.

Abgesehen von den Orgelklängen ging es aber noch ein bisschen holprig zu (Big Time ist eines von vielen neuen Stücken, die wir für Sie einstudieren, meine Damen und Herren), so dass Olli B. sich sogar bemüßigt fühlte, die Trompeten mit einem herzhaften "Mehr Öl!" aufzumuntern. Nach dem letzten Durchgang von Big Time schaute unser CMO Thomas S. jedoch nicht mehr ganz so grimmig drein, und ließ sich ein "Ganz gut" abringen. Das hätte auch schlimmer kommen können. Viel schlimmer.

Es folgte Quintessence -- eine weitere neue Nummer, die mit großen Namen wirbt (Quincy Jones, Sammy Nestico) und von Thomas als "eine leicht angepoppte Jazzballade" angekündigt wurde. Das Ganze klang beim ersten Durchgang aber eher nach Schönberg, so dass Ralf H. satzintern sogar Überlegungen anstellte, was passiere, wenn man einen kräftigen Schluck Ventilöl zu sich nehme. Sehr bedenklich, was er da von sich gab, aber es ist ja nun wirklich keine Lösung, sich zu vergiften. Dadurch klingt es auch nicht besser. Toni D., Geschäftsmann von den Zehenspitzen bis zu den Haarwurzeln, witterte gleich eine Verkaufschance und bot als Alternative ein anderes Öl an, dass sich gefahrlos schlucken lasse.

Thomas setzte vor dem letzten Durchgang von Quintessence zu einer umfassenden Erklärung an, wie man sich durch bestimmte Zähltechniken den Übergang von double time zurück zur normalen Zählzeit erleichtern könne, brach jedoch schnell mit einem "Was erkläre ich es, ihr kapiert es ja eh nicht" ab. Anschließend gingen wir zu Avalon über. Schon wieder ein relativ neues Stück, das Thomas mit einem motivierenden "Das haben wir letzte Woche geprobt, es sollte nicht so in die Hose gehen" einleitete. Nach dem ersten Durchgang wandte er sich dann an die mittlerweile eingetroffene Beatrix A., und sagte: "Sie können es viel besser. Sie können es nur nicht abrufen." Ist es nicht faszinierend, wie feinfühlig unser CMO seine Kritik zu verpacken weiß?

Allerdings mussten wir kurz danach miterleben, wie selbst er kurzzeitig die Fassung verlor. Der Gute war ein wenig erkältet, und auf seine harmlose Frage, ob jemand ein "Tempo" entbehren könne, zog ein Musiker in der ersten Reihe einen Klumpen Zellstoff von undefinierbarer Herkunft aus der Hosentasche. Dem Augenschein nach könnte es sich um Servietten von der vorletzten Weihnachtsfeier gehandelt haben. Die menschliche Sprache hat keine Worte, um den Gesichtsausdruck unseres CMOs zu beschreiben. Deswegen versuche ich es gar nicht erst. Und da Diskretion in diesem Blog bekanntlich an erster Stelle steht, wahren wir Stillschweigen über die Identität des Zellstoff-aus-der-Hosentasche-Ziehers. Der erfahrene Leser wird aber aus dem Hinweis, dass wir heute Abend in Konzertaufstellung gespielt haben, schließen können, um welchen Satz es sich handelt. Aber das hätte jedem von uns passieren können (evtl. mit Ausnahme der Trompeten).

Und so ging es munter weiter mit neuen oder ewig nicht gespielten Stücken (Mr Walker, Cruisin' for a Bluesin', Hard Sock Dance). Ein solcher Abend mit lauter neuen Stücken, die sich nicht so einfach vom Blatt spielen lassen, führt einem die eigene Begrenztheit wieder ganz neu vor Augen. Musik kann Freude bereiten, aber sie lehrt uns auch Demut.

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