Selbstbewusst falsch: Solisten-Workshop am 21. Mai 2008

Als sich letzte Woche bei der Probenplanung zeigte, dass die Reihen in dieser Woche doch zu stark gelichtet sein würden, um eine Gesamtprobe durchzuführen, bot Thomas kurzerhand an, einen Solisten-Workshop durchzuführen. Die Spielregeln dafür waren:

  • Maximal fünf Solisten
  • Mit Gitarre als Begleitung
  • Mit persönlicher Anmeldung (first come, first served)
Die Gitarre hatte heute Abend dann plötzlich erfreulichen Zuwachs bekommen (Olli B. an den Drums und Jens L. am Bass). Dafür gab es nur drei Solisten: Ralf H., Jürgen H. und mich.

Ich bin bei solchen Workshops immer ein bisschen nervös, weil trotz der freiwilligen Lektüre von Ziegenrückers Allgemeiner Musiklehre immer wieder schnell deutlich wird, dass ich auf der theoretischen Ebene von Musik keine Ahnung habe. Es gelang Thomas auch recht schnell, dies zu demonstrieren. Er fragte mich nämlich, was der Unterschied zwischen Dur und Moll sei, und hätte wahrscheinlich lieber etwas von Intervallen und großen und kleinen Terzen gehört als "Moll klingt trauriger". Vermutlich hat er nicht mit diesem Grad an Unkenntnis gerechnet, aber das war auch gar nicht wichtig. Der wichtige Punkt, den Thomas uns eingangs näherbrachte, war: Viele von uns, die sich trauen, ein Solo zu spielen, sind nicht in der Lage, alle Informationen, die in den Noten stehen, auch produktiv für das Solo auszuwerten. Die Changes, also die Akkordwechsel, erfolgen üblicherweise in einer Geschwindigkeit, die es dem Nachwuchssolisten schwer macht, passende Töne abzuleiten und diese dann auch noch zu spielen. Wir fühlten uns aber alle gleich viel wohler, als Thomas auf bekannte Musiker verwies, die sich zeitlebens wenig um die Musiklehre gekümmert haben, sondern auf ihre Ohren verließen (Chet Baker zum Beispiel).

Thomas erklärte uns dann, dass es in diesem Workshop auf die Tonqualität ankommen würde, und nicht auf technisch ausgefeilte Solo-Einlagen. Er stellte ein Notenblatt mit vier Tönen auf unsere Notenständer, ließ die Rhythmusgruppe eine eingängige Harmoniefolge spielen, und forderte uns auf, aus diesen vier Tönen ein Solo zu erzeugen. Freundlicherweise hatte er die vier Töne und die Harmoniefolge so gewählt, dass jeder Ton zu jedem beliebigen Zeitpunkt angenehm klang, so dass man sich gleich wie ein richtiger Solist fühlte.

Bei der anschließenden Analyse setzte Thomas dann die entsprechenden Kontrapunkte, indem er mir zum Beispiel sagte: "Wenn du leise spielst, klingt es einfach scheiße." So habe ich das noch nie gesehen, aber ich konnte in seiner Äußerung durchaus eine zentrale Erkenntnis entdecken. Dass es nämlich scheiße klingt, wenn ich leise spiele. Manchmal ist die Wahrheit so einfach, dass man sie nicht sieht. Und als ich daraufhin einfach etwas lauter spielte, erntete ich wiederum positives Feedback. Zuckerbrot und Peitsche also? Keineswegs, sondern einfach nur Klartext. Sehr wohltuend.

In mehreren Durchgängen gab Thomas nun unterschiedliche Harmoniefolgen vor, und ließ uns dazu mit unterschiedlichem Tonmaterial improvisieren. Der Rhythmusgruppe, von Thomas heute als die "lebendigen Aebersolds" bezeichnet, gilt nicht nur mein Dank für die tolle Unterstützung, sondern auch meine Bewunderung: Thomas warf ihnen lediglich ein paar Akkorde hin, und die drei machten daraus faszinierende Klangteppiche, auf denen man sich selbstbewusst bewegen konnte. So würde ich mein Instrument gerne beherrschen! Ein weiteres Highlight für mich war, dass Thomas uns auch ausgiebig Anschauungsmaterial zur Verfügung stellte, indem er selbst einige Soli spielte (die gelegentlich sogar Motive aus Kitchen Music enthielten).

Die Harmonien wechselten, wurden komplizierter, und einmal, als es in die nächste Runde ging, wurde Jürgen H. von Thomas gefragt, welche Töne denn schwierig für ihn seien. Antwort: "Alle außer f und b." Jürgen, du hast es erfasst. Und du bist nicht allein.

Eine faszinierende Übung war die "Übergabe von Motiven" an den nächsten Solisten. Beispiel: Jürgen spielt ein Solo und denkt sich ein Motiv aus (also eine kleine Melodie). Wenn diese sich gefestigt hat, setzt Hendrik ein und spielt die Melodie nach. Wenn er es nach ungefär 87 Durchgängen geschafft hat, das Motiv nachzuspielen, darf er sich ein eigenes ausdenken, und Ralf muss es nachspielen.

Zum guten Schluss stimmte Thomas die Rhythmusgruppe auf einen kraftvollen Hard Rock ein, und gestaltete ihn so, dass man dazu alles spielen konnte. Hauptsache mit Volldampf. Was wir dann auch nach Herzenslust getan haben -- ein bisschen schön und ganz laut.

Fassen wir zusammen: Was sind die zentralen Punkte, die Thomas uns heute für unser Solospiel beigebracht hat?
  • Stell dich aufrecht hin.
  • Spiele laut und selbstbewusst. Egal ob falsch oder richtig.
  • Achte auf deinen Ton. Wenige Töne, die gut klingen, sind mehr wert als viele und schnelle Töne, die schlecht klingen.
  • Mach öfters mal eine Pause. Nimm dabei das Instrument vom Mund. Natürlich nur, wenn es ein Blasinstrument ist. Die anderen haben am Mund ja auch nichts verloren.
  • Lange Töne machen einen Trompeter schnell fertig. Verzichte lieber darauf.
  • Trau dich was.
Alles in allem muss ich sagen: Wer diesen Abend verpasst hat (es gab ja zwei freie Plätze), obwohl er Zeit gehabt hätte, ist selbst schuld. Ich sage das ganz ohne Kritik und Vorwürfe, und bin froh, dass ich mitmachen konnte.

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