Generalprobe mit Einzug ins Finale

Für heute war eine ganz besondere Probe geplant: Paul hatte zu einer Freiluftprobe in seinen Garten eingeladen, wobei es sich um die Generalprobe für unseren Auftritt in St. Leon-Rot handelte. Der Plan sah außerdem vor, nach dem musikalischen Teil ein Grillfest zu veranstalten und das Halbfinale Deutschland/Türkei anzuschauen.

Heute Nachmittag dann die Katastrophe: Dunkle Wolken zogen vor den Bürofenstern in Walldorf und Rot auf. Würde das Wetter halten? Würde der Sturm vorübergehen? Dann meldete Thomas aus Mannheim: Hier blitzt und donnert es! Olli B. heizte die Stimmung zusätzlich an, indem er Links auf wetter.de verschickte, die für den Abend ein Gewitter über Pauls Haus ankündigten. Von einzelnen Bandmitgliedern trafen besorgte E-Mails ein: Was ist unser Plan B? Sie konnten ja nicht wissen, dass zwischen Paul, Ralf, Thomas, Frank, Olli und mir bereits die Pläne D bis F diskutiert wurden.

Irgendwann, ich gebe es beschämt zu, habe ich meinem Laptop zugeklappt und zu einer Zeitschrift gegriffen (natürlich Fachlektüre). Als ich ihn wieder aufklappte, hatte der Sturm sich nicht nur vor dem Fenster, sondern auch in der E-Mail-Inbox gelegt. Es gab eine Entscheidung von El Presidente Ralf H.: Wir versuchen es bei Paul! Alle anderen Pläne sind hinfällig.

Von da an ging es nur noch aufwärts: Die meisten Musikerinnen und Musiker waren pünktlich zur Stelle, die Bänke und Tische waren schnell aufgebaut, und es konnte losgehen mit dem Musizieren. Allerdings veranlassten die ersten Töne aus den Blasinstrumenten Pauls Hunde, zwei prächtige Große Münsterländer, sich zu Wort zu melden. Offenbar waren sie mit dem Geräuschpegel nicht einverstanden. Doch auch hier gab es schnell eine Lösung: Der eine kam in den Keller, der andere entwickelte spontan eine Vorliebe für Count Basie und durfte zwischen den Sätzen hin- und herflanieren. Wobei er auffällig oft bei den Saxophonen halt machte und unter ihren Stühlen herumlag. Evtl. entdeckte er im Klang dieses wunderbaren Instruments vertraute Schwingungen? Oder gar versteckte Bedeutungen? Wir werden es nie ergründen.

Nachdem wir einige Basie-Nummern aufgefrischt sowie ein paar Stücke des aktuell in der Entwicklung befindlichen Repertoires gespielt hatten, kam in unserem CMO Thomas S. wieder der alte Schleifer durch, und er drückte uns noch fünf Seiten The Joy Of Cooking auf, bevor wir dann endlich einpacken und uns geistig auf das Halbfinale vorbereiten durften.

Pünktlich um 20.45 Uhr saßen dann alle mit einem kühlen Getränk in der Hand vor dem Fernseher, den Paul ins Fenster gestellt hatte. Die Steaks und Würstchen schmurgelten auf dem Grill vor sich hin, und das Leben hätte so schön sein können, wenn nicht das 1:0 für die Türkei gefallen wäre. Aber am Ende haben unsere Jungs die Kurve ja gekriegt -- es wäre müßig, hier den Spielverlauf nachzuzeichnen. Zwei Dinge bleiben jedoch in Erinnerung.

Zunächst einmal hatten Pauls Nachbarn offenbar eine direkte Bildverbindung ins Stadion geschaltet, während wir uns abwechselnd mit dem Wiener Bildsignal, dem Schweizer Ausweichkanal oder einem grauen Testbild, untermalt von Béla Réthys Stimme, zufrieden geben mussten. Das Bild kam bei den Nachbarn grundsätzlich ein bis zwei Sekunden früher an, so dass diese schon lauthals jubelten, wenn Miro Klose auf unserer Mattscheibe noch in die Luft stieg, um den Kopfball auszuführen.

Außerdem wird mir der folgende Moment noch lange nachgehen: Das graue Testbild flackert. Dann wird es grün, ja, es ist der Rasen im Stadion. Das Bild stabilisiert sich, und Christoph Metzelder ist zu sehen. Kommentar von Béla Réthy: "Sie sehen einen Mann mit Bart, und daran erkennen Sie auch, dass das Bild wieder da ist." Fantastisch! Der Mann ist ein Philosoph. Wer wäre auf einen Kausalzusammenhang zwischen Metzelders Gesichtsbehaarung und unserer Wahrnehmung gekommen? Also ich nicht. Hut ab.

Beim 3:2 und beim Schlusspfiff war es dann so weit: Der Fußball schaffte, was 10 Jahre Jazz, Seite an Seite gespielt, nicht vermocht hatten. Die Musikerinnen und Musiker lagen sich in den Armen. So ging ein großer Abend zu Ende.

Zum Schluss soll an dieser Stelle Paul ein Extralob und dickes Dankeschön ausgesprochen werden: Er hat ganz alleine für Tische und Bänke, Unmengen von Getränken, erstklassiges Grillgut und sogar noch Geschirr aus der SAP-Kantine gesorgt, und sich nach der Probe an den Grill gestellt, als die anderen vor dem Fernseher saßen. Auf diese Weise hatten wir alle einen schönen und abwechslungsreichen Abend. Und im Endspiel sind wir auch noch!

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