Nachdem nun der letzte Ochse (nämlich ich) aus dem Urlaub zurückgekehrt ist, kann nicht nur die reguläre Probenarbeit wieder stattfinden, sondern auch die Berichterstattung über selbige. Die heutige Probe war nicht die erste nach der Sommerpause, aber die erste, an der ich teilnehmen konnte.
Nach dem letzten Gig vor der Sommerpause hatte unser CMO Thomas S. schon angekündigt, dass es nun vorbei sei mit den etablierten Stücken aus dem Repertoire. Nun gelte es, die neuen Stücke einzuüben, denn schließlich steht Ende des Jahres eine CD-Aufnahme an.
Nachdem Thomas einige freundliche Begrüßungsworte an die Urlaubsheimkehrer gerichtet hatte ("Hast du zugenommen?"), ging es los mit A Night In Tunisia. Das Thema dürfte den meisten Musikbegeisterten ja hinlänglich bekannt sein (la lalalala lala lala), doch das vorliegende Arrangement ist in meinen Augen rein harmonisch gesehen doch etwas sperrig. Abgesehen davon, dass ich gleich beim ersten Durchgang nach ein paar Zeilen rausgeflogen bin, was Thomas mit einem gnädigen "Na ja, das kommt ja sonst nie vor" kommentierte. Oder war das ironisch gemeint?
Zurück zum Arrangement: Ich hätte es fast schon als intellektuell bezeichnet, doch Thomas (der die Nummer ausgesucht hat) kommentierte unsere Performance mit folgender Bemerkung: "Mit einer intellektuellen Big Band zu proben muss völlig anders sein als mit euch." Das sind natürlich harte Worte, aber auf der anderen Seite ist es sicher auch so, dass Band und Bandleader vom Intellekt her zusammen passen müssen. Insofern passt das schon. (Diese Bemerkung lässt hoffentlich genug Interpretationsspielraum offen.)
Wie dem auch sei: Bis 20.30 Uhr führte Thomas uns in die Feinheiten der tunesischen Nacht ein (wenn wir ausnahmsweise pünktlich angefangen hätten, wären es anderthalb Stunden für ein und dasselbe Stück gewesen), bevor er uns eine kurze Pause gönnte. Wenn ich es richtig verstanden habe (ich konnte die Diskussion nur teilweise verfolgen), nutzte Thomas die Pause, um sich von Paul C. über die Streuwirkung von Schrotgewehren aufklären zu lassen. Was natürlich ein unheimlich wichtiges Thema ist.
Nach der Pause wurde uns dann klar, wieso Thomas A Night In Tunisia nur als das zweitschwerste Stück im neuen Programm bezeichnet hatte, denn er ließ Con Alma auflegen. Da unser sprachbegabter El Presidente Ralf H. nicht da sein konnte, scheiterten wir im Trompetensatz schon an der Übersetzung des Titels. Wir einigten uns kraft unserer Lateinkenntnisse auf "Mit Geist", weil wir an die berühmte Alma Mater dachten, die aber offenbar eigentlich mit "nährende Mutter" übersetzt werden muss. Also heißt das Stück dann "Mit Nahrung"? Das kann ja sicher auch nicht sein. Die linguistischen Feinheiten müssen wohl warten, bis Ralf wieder da ist.
Abgesehen davon klappte der Rest aber auch nicht so recht, auch wenn Thomas nach dem ersten Durchgang ein aufmunterndes "Mehr isses nicht" in die Runde rief. Es spricht schon Bände, dass er gleich danach das nächste Stück auflegen ließ, nachdem er Con Alma mit der Aufforderung, es "bis nächste Woche mal zu üben", in den Notenmappen verschwinden ließ.
Danach folgte nur noch ein Gesangsstück (Quiet Night of Quiet Stars), weil wir uns nächste Woche mal wieder auf eine Probe mit unserer wunderbaren Sängerin, Beatrix A., freuen dürfen. Dieses ging ohne größere Bruchlandungen über die Bühne, und Harald S. erfreute uns mit seinem durchtrainierten Saxophon-Timbre, als er in Beatrix' Abwesenheit die Gesangsstimmte intonierte.
Als er den offiziellen Teil der Probe beendete, ließ Thomas wieder den alten Schleifer durchblicken: "Nächste Woche kommt das böse Erwachen." Anschließend versammelte das Core Team sich im Tourneo, um bei einem leichten Imbiss über wichtige Themen zu diskutieren. Aber abgesehen davon, dass einige Punkte für eine öffentliche Darstellung eher ungeeignet erscheinen, würde eine umfassende Berichterstattung jeden Rahmen sprengen. Deswegen greife ich wahllos ein Thema heraus (es geht zufällig um mich): Bei A Night In Tunisia hatte Thomas mich zum Solo verdonnert, weil die Changes (= Akkorde) in den Noten der 3. Trompete (meine Stimme) notiert waren. Nicht, dass die Changes mir auch nur irgendeine Ahnung davon vermitteln würden, welche Töne dazu passen, aber grundsätzlich ist das schon eine valide Vorgehensweise.
Ich fand meinen ersten Versuch ganz schrecklich, wagte aber trotzdem insgesamt drei Anläufe, bevor ich ernüchtert an Toni abgab (der sich freundlicherweise schon nach dem zweiten Versuch angeboten hatte). Bei der Nachbesprechung fragte ich Thomas dann folgendes: "Ist das Solo bei A Night In Tunisia wirklich so schwer oder habe ich einfach versagt?" Thomas setzte dann ganz uncharakteristisch zu einer Art Ehrenrettung für mich an und erzählte irgendetwas von Halbtonschritten, wurde aber von Jens W. unterbrochen, der sich an mich wandte und den Kasus wie folgt zusammenfasste: "Ich finde, du bist ziemlich abgeschmiert." So war das wohl auch, aber mittlerweile bin ich ja zu der Erkenntis gelangt, dass man nur durch eine Mischung aus viel Üben und ab und zu Schämen zu Solistenruhm gelangen kann. Ich arbeite daran, beide Anforderungen abzudecken, wenn auch evtl. nicht gleichzeitig.
Am Ende dieses Berichts soll das Fazit zur heutigen Probe stehen, welches unser weiser CMO Thomas S. abgab, bevor er sich in sein italienisches Luxusgefährt schwang und nach Hause tuckerte: "Die Probe heute war 270 Millionen Prozent besser als letztes Mal." Das stimmt mich optimistisch, und ich bin froh, dass ich letzte Woche noch im Urlaub war.
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