Malen nach Zahlen: Probe am 21. Januar 2009

Unser CMO Thomas S. eröffnete die heutige Probe, wie in der letzten Woche schon angekündigt, mit einer Rede an die Nation. Und auch unser Präsident Ralf H. hatte einige Worte vorbereitet. Doch davon hier kein Wort, denn die Ansprachen waren tatsächlich (eher untypisch für die Band) ernsten Inhalts.

Musikalisch ging es dann los mit El Centro, und prompt schlug das böse Segno, das uns letzte Woche schon so gepiesackt hatte, wieder zu und glänzte durch Abwesenheit, was zum Abbruch des Stücks führte. Dumme Sache. Und auch beim zweiten Durchgang hielt Thomas es für notwendig, uns Mut zuzusprechen ("Timing ist keine Schande"). Positiv ist lediglich zu vermelden, dass Ralf H. natürlich nicht nur in seiner Eigenschaft als Präsident, sondern auch als Trompeter wieder voll präsent war, und mir in gewohnter Manier aufmunternde Kommentare zurief, wenn ich die Töne mal wieder zu lange aushielt: "Zickig!" (das hat er gerufen, um mir eine andere Spielweise vorzuschlagen, nicht, um meinen Charakter zu beschreiben. Glaube ich zumindest.)
Da heute Abend wieder einiger Durchgangsverkehr im Foyer von WDF05 herrschte, erwachte der Salesman in Konsul Toni D., und er zauberte mit flinken Fingern einen CD-Verkaufsstand. Leider ging heute Abend keine CD über den Ladentisch, doch so mancher potentielle Kunde verlangsamte seinen Schritt. Wir werden das jetzt jede Woche so machen und sicher noch unermesslich reich dabei.

Als nächstes Stück ließ Thomas Afro Blue auflegen, und forderte die Rhythmusgruppe auf, die Spezialrhythmen einzubauen, die sie in der letzten Satzprobe eingeübt hatten. Diese Streber! Und woher wusste Thomas überhaupt davon? Ich glaube, wir Trompeten müssen hier aufpassen, dass die Gunst unseres CMOs weiter auf uns herniederstrahlt. Da drängt sich doch jemand in den Vordergrund! Beim ersten kompletten Durchgang des Stückes hatten wir allerdings schon wieder Oberwasser, denn Olli B. kündigte an, das die Rhythmiker doch lieber noch einmal so spielen würden, wie es auf dem Blatt stehe. Ein cooler Jazzer sagt dazu übrigens: as written (yeah baby). Auf Variationen und Spezialrhythmen werde man, so Ollli, noch verzichten. Thomas kommentierte das kurz mit "so wie die letzten 9 Jahre", was unserer lieben Rhythmusgruppe natürlich Unrecht tut. Überhaupt muss ich anmerken, dass Frank W. heute Abend ein brutal gut klingendes Solo auf seinem Nord hingelegt hat. Dies soll die Leistung der anderen Solistinnen und Solisten nicht schmälern, aber ich greife ja meistens ein Solo heraus, das mir besonders gut gefallen hat.

Es ging weiter mit Vamos A Bailar. Ich weiß immer noch nicht, was das auf Deutsch heißt. Ralf hat mich in einer Probe mal auf den Arm genommen und gesagt, es bedeute "Wir gehen zum See". Was für ein Blödsinn! Wieso sollte sich jemand die Mühe machen, ein so schönes Stück zu komponieren, um dann so einen schrottigen Titel zu verwenden. Wahrscheinlich heißt es soviel wie "Wir ziehen heute Abend um die Häuser und denken an einen schönen Busen", und Ralf will das nicht zugeben, weil dann herauskommen würde, dass der Spruch mit dem Busen gar nicht von ihm stammt. Das ist ganz schön perfide, oder?

Bei diesem Stück rief er mir übrigens folgendes zu: "Nicht zählen, fühlen!" Zählen tue ich grundsätzlich nicht, aber sehr gefühlig war es auch noch nicht. Wobei ich bei diesem Stück eine sensationelle Entdeckung gemacht habe: Wenn ich den kleinen Finger der rechten Hand nicht in den dafür vorgesehen Haken der Trompete stecke, sondern künstlerisch in die Luft recke, wandern die drei benachbarten Finger mit viel größerer Leichtigkeit über die Ventile. Vermutlich sind die Standardabmessungen einer Trompete aber auch für Standardfinger gemacht, und nicht für meine Knubbelchen. Evtl. sollte ich mir eine Piccolotrompete zulegen? Mal sehen, jetzt versuche ich es erst einmal mit dem freischwebenden kleinen Finger. Warum habe ich das erst jetzt gemerkt? Vielleicht wäre ich schon ein berühmter Trompeter, wenn ich früher darauf gekommen wäre. Ich könnte schön, reich und erfolgreich sein, so wie unser CMO. Und müsste morgens nicht so früh aufstehen. Aber gut, die Finger würden davon auch nicht länger, insofern ist das alles relativ.

Bei diesem Stück waren übrigens die Saxophone an der Reihe, sich konstruktives Feedback von Thomas einzuholen. Ihr Spiel, so der CMO, könne, wenn es nach ihm ginge, "ein bisschen mehr Esprit" haben, denn die allzu genaue Befolgung des Notenbildes erinnere ihn zu sehr an "Malen nach Zahlen". Autsch. Aber das hätte jedem von uns passieren können. Kopf hoch, ihr Saxe. Mir ging es ja auch kaum besser, als die Trompeten eine bestimmte Phrase alleine vorspielen mussten, und ich den Schluss nicht hinkriegte. Der hätte eigentlich als "ba ba ba baba" gespielt müssen, und Michael, Toni und Ralf haben das auch geschafft, während aus meinem Trichter eher ein tastendes "baaa baba ba ba. ba?" hervorlugte. Thomas schaute daraufhin kurz auf und verkündete, dass "der Hendrik das zu Hause noch mal üben" werde. Was ich normalerweise natürlich nicht tue. Aber wer weiß, vielleicht übe ich es wirklich, um ihm eins auszuwischen.

Was bleibt noch zu berichten? Eine so wunderbare Probe konnten wir natürlich nur in unserem Lieblingslokal, dem Walldorfer La Tortuga, Revue passieren lassen. Die Tischgespräche glitten leider wieder in einen Bereich ab, der sie dafür disqualifiziert, an dieser Stelle wiedergegeben zu werden, ohne gegen die FSK 18 zu verstoßen. Ich wehre mich natürlich immer dagegen, und versuche, das Gespräch auf Hölderlin oder den Dekonstruktivismus zu lenken, aber die Jungs ziehen da meistens nicht mit. Deswegen kann ich nur von den folgenden Begebenheiten erzählen.

Wir unterlegen die traditionellen spanischen Tapas meistens mit einer Grundierung aus Kartoffelprodukten. Als ich heute Abend Lust darauf verspürte, reichte ich meinen Teller über den Tisch, und dachte, dies sei Aufforderung genug, ihn mit goldgelben Pommes zu beladen. Stattdessen zog Olli B. gelangweilt ein abgenagtes Hühnerbein aus dem Mund, und ließ es beiläufig auf meinem Teller fallen. Damit war dem Wahnsinn Tür und Tor geöffnet, und flugs folgten die anderen seinem Beispiel. Die Band sieht mich also in Wahrheit als ihren persönlichen Hüherbeinentsorger. Bin ich dort wirklich noch an der richtigen Stelle?

Der Abend ging zu Ende mit einer Runde Espresso. Unserem CMO Thomas eilt ja der Ruf voraus, gute Leistungen aus vollem Herzen zu loben, aber Missstände eben so offen anzusprechen. Und so begab es sich, dass er Klartext sprach, was den Espresso angeht. Für seinen Geschmack sei dieser zu stark, und auch die Crema lasse darauf schließen, dass die Maschine nicht richtig eingestellt sei. Das La Tortuga-Team zeigte sich, wie nicht anders erwartet, äußerst interessiert an Thomas' Ausführungen, und bat ihn gleich hinter die Theke, um das Feintuning an der Espressomaschine vorzunehmen. Zu unser aller Glück nahm Thomas jedoch keinen Schraubenzieher zur Hand, sondern versprach, demnächst mit einem Bekannten im Schlepptau zurückzukehren, der sich mit der Materie auskenne. Was für ein Deal sich da nun wieder hinter verbirgt, muss im Verborgenen bleiben. Aber ich bin sicher, dass Thomas wie üblich von allem 70 % einstreicht, und wenn sich der Espresso (der mir gut geschmeckt hat) auch noch steigern lässt, soll es uns recht sein.

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