Unser CMO Thomas S. hatte für die erste Probe in diesem Jahr eine Rede an die Nation angekündigt, damit ein Ruck durch die Band gehe. Da El Presidente Ralf H. aber noch in Südamerika weilt und wir alle hoffen, dass er bald zurück kommt, wurde die Ansprache auf die nächste Tuttiprobe verschoben.
Beim ersten Stück, Vamos A Bailar, wurde gleich deutlich, dass die Pflege des eigenen Notenbestandes zu den thematischen Kernpunkten dieser Rede

Ein erstes Aufmerken ging durch die Band, als Konsul Toni D. beim folgenden Stück, El Centro, ein derart anmutiges Trompetensolo blies, dass man kaum glauben konnte, das erste Solo nach der Winterpause zu hören. Wirklich sehr gut, und Thomas' Blick sprach Bände. Ach könnte ich doch einmal im Leben einen solchen Blick von unserem CMO ernten! Wohl kaum, wohl kaum.
Es ging weiter mit Cubano Chant, und als die ersten Takte erklangen, fühlte ich mich gedanklich in die Heimat von Ralf H. versetzt. Nicht, weil ich ihn heute Abend so vermisst hätte (hab ich aber natürlich, ganz ehrlich), sondern weil das letzte Probenwochenende in dieser Gegend stattfand, und ich wenn ich mich richtig erinnere, haben wir diese Nummer am ersten vollen Tag des Probenwochenendes bis zum Umfallen geübt. Was natürlich nicht viel heißt, da wir am Vorabend eine sehr intensive Weinprobe durchgeführt hatten und große Teile der Band nur ganz langsam zur Hochform aufliefen. Dies wiederum mag erklären, dass Cubano Chant heute Abend noch leichte Ecken und Kanten hatte.
Dann ließ Thomas Afro Blue auflegen, und als ich in meine Noten schaute, sah ich in der ersten Soloform eine Notiz: "C-Dur/a-Moll". Seit ich gelernt habe, dass C-Dur gar keine Kreuze hat, und auch noch den Trick mit der parallelen Molltonart kapiert habe, bin ich ja für Soloformen, bei denen die meisten Töne von C-Dur passen, nicht undankbar. Ein kurzer Blick nach rechts zeigte, dass die Changes (= Jazzsprache für Akkordsymbole) in Tonis Stimme notiert waren. Ich fühlte mich durch Tonis Performance bei El Centro aber dazu inspiriert, mit einem tollen Solo in das neue Trompetenjahr zu starten. Deswegen spielte sich folgender Dialog zwischen uns ab:
Hendrik: "Ab 51 ist das Solo."
Toni: "Ja."
Hendrik: "Ich hab mir da aufgeschrieben, dass C-Dur passt. Oder a-Moll."
Toni: (Schweigen)
Hendrik: "Willst du spielen?" (auf ein "Nein" hoffend)
Toni: "Ja, warum nicht."
Hendrik: (Schweigen)
Toni: "Oder wer hat da immer gespielt?"
Hendrik: "Also auf dem Probenwochenende hab ich-"
Toni: "Ja, dann spielst du."
Das Stück begann, und ich machte mich bereit für den großen Moment. In Takt 49, zwei Takte vor dem Solo, röhrte in der ersten Reihe dann plötzlich ein wildes Saxophon auf und spielte einfach weiter -- Harald S. hatte sich das Solo geklaut, und spielte es sehr souverän. Bei der Nachbesprechung sprach ich ihn darauf an, und er erklärte mir ganz trocken, dass es sich um ein sogenanntes Solo-Pickup handele. Schließlich habe man das auf dem Probenwochenende so gelernt. Hier ist jemand offensichtlich auf der Überholspur ins neue Jahr gestartet! Respekt.
Leider wurde die Soloform wiederholt, und ich machte den Fehler, in Haralds Fahrwasser dann doch noch ein Solo zu versuchen. Als ich in den unteren Lagen mit ausreichender Sicherheit ermittelt hatte, welche Töne der C-Dur-Tonleiter gut passten, wurde ich übermütig, und versuchte, einige davon eine Oktave höher zu spielen. Es ist verblüffend, wieviel labiale Spannung verloren gehen kann, wenn man es über die Feiertage mit dem Üben nicht ganz so eng sieht. Es war schrecklich. Ich muss wohl doch ein bisschen Gas geben, wenn ich Harald noch einholen will. Toni hat neulich übrigens die These aufgestellt, dass es schon helfe, wenn man seine Trompete jeden Tag anschaue (weil man sich dann mental mit dem Spielen beschäftige). Ich muss in der Retrospektive sagen, dass dieser Ansatz seine Grenzen hat. Meine Trompete hat die Feiertage gut sichtbar auf dem Wohnzimmerschrank verbracht, aber ich denke, es hätte nicht geschadet, sie ein wenig öfter zur Hand zu nehmen und evtl. sogar zu spielen.
Und von noch einer Begebenheit muss ich berichten, in der Toni D. eine Rolle spielt. Er ist eben doch der geistige Übervater der Band. Wir spielen ja zur Zeit ein sehr latinorientiertes Programm, und im Latin haben die Trompeten oft kurze Einwürfe zu spielen, die man am besten auch kurz und knackig ausführt. Ich neige zum großen Kummer von Ralf H. aber dazu, solche Einwürfe bis ins Letzte auszukosten, und so wird aus einer knappen Achtel schon mal eine Fast-Viertel. Ralf hat schon alles versucht, um mir diese Unart auszutreiben, und auch wenn er manchmal überraschende Ratschläge parat hat (zum Beispiel, kurz vor dem Solo an einen schönen Busen zu denken), ist er hier bisher gescheitert. Toni, der auf Grund von Ralfs Abwesenheit heute Abend mein Nachbar war, hat mich genau einmal vergeblich darauf hingewiesen. Beim zweiten Mal sagte er dann: "Kurz! Wie deine Finger." Ich glaube, das kann ich mir merken.
Auch bei den anderen Stücken aus dem CD-Programm war Thomas heute Abend nicht komplett glücklich, und dies lag häufig auch daran, dass große Teile der Band nicht in der Lage waren, das Segno zu finden. "Dal Sengo" bedeutet "vom Zeichen", und diese Notation wurde vermutlich erfunden, um Amateurmusiker zu verwirren oder Papier zu sparen.
Grundsätzlich erwies sich unser CMO aber als erstaunlich leidensfähig, denn wer nach so einer Probe als letztes Stück Con Alma auflegen lässt, muss entweder an das Gute im Menschen glauben oder einfach unglaublich ehrgeizig sein. Dieses Stück ist übrigens noch nicht gesetzt für die CD -- es befindet sich in der Rubrik, die Thomas mit "noch mit Fragezeichen" überschrieben hat. Falls dieser Probenbericht sie ermutigt hat, die CD zu kaufen (Erscheinungstermin: vermutlich irgendwann im April, lesen Sie einfach hier nach), achten Sie bitte darauf, ob Con Alma mit von der Partie ist.
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