Nach einem sehr erfolgreichen Auftritt in Hirschberg am vergangenen Sonntag fand heute gleich die Generalprobe für das nächste Konzert statt (Eschborner Summertime, 5. August). Wir haben in letzter Zeit einige Instrumentalgigs gespielt und können uns jetzt darauf freuen, in Eschborn wieder ein gesangsorientiertes Programm aufzuführen. Natürlich wird es aber auch dort Instrumentalstücke mit vielen improvisierten Soli geben.
Ich selbst hatte mich im Vorfeld einigermaßen weit aus dem Fenster gelehnt, indem ich Thomas per E-Mail angekündigt hatte, bei Why Not einmal ein Solo spielen zu wollen. In den Noten sind die sogenannten "Changes" (das ist Jazz-Speak für "Akkorde" oder "Harmonien") als Hilfestellung für den Solisten notiert, und diese sind bei Why Not schon ein wenig komplexer als in den Stücken, bei denen ich mich sonst traue, Solo zu spielen und mit der Faustregel "1. Ventil abwechselnd drücken und loslassen" eine vertretbare Trefferquote an richtigen Tönen erziele . Ich bin nämlich vollkommen unfähig, den Changes irgendeine verwertbare Information abzugewinnen. Da wir heute Abend auch noch einen Zuhörer hatten, der die Band kennenlernen wollte, war ich mir plötzlich gar nicht mehr so sicher, ob die Idee mit dem Solo so gut war. Ich begann zu transpirieren. Was würde geschehen?
Thomas kündigte das Stück wie folgt an: "So, dann versuchen wir mal die Soloform bei Why Not. Der Hendrik würde da nämlich gerne ein Solo spielen. Dann werden wir uns das also mal anhören und sehen, ob es uns gefällt." Ich schloss die Augen und hoffte auf das Beste. Es gelang mir tatsächlich, die zu Hause einstudierten Töne an den vorgesehenen Stellen hervorzubringen, und Thomas ließ sich immerhin zu folgender Beurteilung hinreißen: "Nicht schlecht, aber das könnte natürlich ein Zufallstreffer gewesen sein. Dann probieren wir das doch gleich auch in Eschborn." Was heißt hier "könnte"? Der Zufall ist mein ständiger Begleiter. Drücken Sie mir die Daumen, dass er auch mit nach Eschborn fährt und mich nicht im Stich lässt.
Eine der Gesangsnummern, die wir heute Abend probten, heißt Street Life. Es begab sich nun, dass im Saxofonsatz nicht alle Noten vorhanden waren. Thomas schaute mich eindringlich an und meinte: "Da müssten wir mal in den Keller gehen und nach den Originalen suchen." Was im Klartext bedeutete, dass ich mich in den Notenschrank abseilte, um eine ebenso erfolglose wie schweißtreibende Suchaktion zu starten. Da wir ohnehin noch auf unsere Sängerin Beatrix A. warten mussten, setzte ich mich anschließend ins Auto, um im Büro nach einer digitalen Kopie der Noten zu suchen und diese auszudrucken, was aber ebenfalls erfolglos verlief. Bei meiner Rückkehr - mein Deo hatte die Arbeit mittlerweile komplett eingestellt - fand ich aber zwei freudestrahlende Saxofonisten vor: Das fehlende Notenblatt war aufgetaucht. Es hatte sich offenbar nur in der Mappe versteckt. Also kehrte ich erschöpft, aber glücklich ("Alles für die Band") auf meinen Platz zurück.
Dann Street Life: Die Nummer hat wirklich einen unwiderstehlichen Rhythmus. Irgendwann begann unser Präsident Ralf H., der nicht nur als Trompeter, sondern auch als Tänzer weit über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus bekannt ist, einen unwiderstehlichen Disko-Fox hinzulegen und regte die anderen Trompeter dazu an, mitzumachen. Selbst Konsul Toni D. ließ sich anstecken und rief lauthals "Showtime", was bei Beatrix A. allerdings als "Stopp!" ankam, weshalb sie abrupt zu singen aufhörte. Thomas brach das Stück schließlich ab und informierte uns Trompeter darüber, dass wir "scheiße aussehen, wenn wir tanzen". Wobei wir natürlich auch nicht viel besser aussehen, wenn wir stillstehen. Trotzdem war es sicher richtig, dass unser CMO versuchte, die Situation zu deeskalieren, indem er Bea beruhigend zusprach: "Schau mich an Pia und alles wird gut." Warum er sie plötzlich "Pia" nennt, wird noch zu untersuchen sein.
Unsere Proben-Nachbesprechungen finden, von gelegentlichen Ausnahmen abgesehen, immer in einem von zwei Lokalen statt. Entweder ist es das La Tortuga (Spanier, Walldorf Zentrum) oder das Tournedo (Italiener, etwas außerhalb). Gegen halb zehn stand ich vor dem Tortuga, nachdem ich die Terasse und die Innenräume des Lokals vergeblich nach einem bekannten Gesicht abgesucht hatte. Also flugs die Nummer unseres CMOs gewählt: "Hier ist die E-Plus-Mailbox von Thomas Siffling." Also aufgelegt und flugs die Nummer von Toni D. gewählt:
"Hier Büro Deimel."
"Äh, ja, hier ist Hendrik A. Ich wollte eigentlich den Toni sprechen?"
"Ja, der Toni ist zur Zeit sehr beschäftigt."
Ich begann ernsthaft darüber nachzudenken, warum Toni sein Handy während der Probe im Kürbiskernbüro liegen lassen würde, als mir plötzlich klar wurde, dass ich nicht mit dem Kürbishof verbunden war. Vor meinem geistigen Auge erschienen Thomas S., Olli B., Toni D., Frank W., Michael K., Jens W., Ralf H. und Edda S., letztere mit Tonis Handy am Ohr und sich als seine Angestellte ausgebend. Und zwar im Tournedo, während ich vor dem Tortuga herumstand. Manchmal mache ich mir schon Sorgen um mich.
Schließlich habe ich die Jungs (und das Mädel) aber doch noch gefunden, und durfte Zeuge werden, wie Jens W. die reizende Bedienung des Tournedos mit großer Gelassenheit bat, ihm einen Tortuga-Salat zu servieren. Der Gute weiß also auch manchmal nicht, wo er ist. Ich fühle da eine gewisse Seelenverwandschaft. Wenigstens einer, der mich versteht.
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