Der Urlaubsspeck muss weg: Probe am 16. September 2009

Unsere Mittwochsprobe ist ja immer ein Quell der Inspiration für mich - man könnte auch sagen, mein persönliches Wochenhighlight. In dieser Woche war ich aber fast schon ein bisschen nervös, als ich zur Probe ging. Lassen Sie mich erklären, wie es so weit kommen konnte.

Obwohl ich am Sonntag schon bei einem Auftritt in Heidelberg-Kirchheim mitgewirkt hatte (so ein Gig nach drei Wochen Trompetenpause ist wirklich etwas ganz Besonderes -autsch ...), war diese Probe meine erste nach dem Urlaub im Südwesten Englands. Die Region Torbay, in der ich einen großen Teil der Urlaubszeit verbracht habe, nennt sich zwar selbstbewusst The English Riviera, aber selbst dort muss es wohl ab und zu mal regnen, damit der Grundwasserspiegel nicht bis auf die Erdachse absinkt. Zum Beispiel in den zwei Wochen, in denen ich zu Besuch war. Und zwar ständig.

Deswegen entschloss ich mich, als Ausgleich zum schlechten Wetter eine spezielle Dosenbier-und-Kartoffelchips-Diät durchzuführen, die - ganz objektiv und emotionslos betrachtet - doch eher rückläufige Auswirkungen auf mein Langzeitziel hatte, noch vor der Rente wenigstens einmal einen Waschbrettbauch zu besitzen. Die Kartoffelchips in UK sind denen in der BRD nämlich nicht vergleichbar. Ein Kollege aus Irland sagte mir einmal, dass es eigentlich völlig ausreichend sei, das Aroma abzulecken, und das stimmt im Prinzip auch. Prawn Cocktail, Salt & Vinegar, Cheese & Onion - hmmm ... Allerdings hat am Ende doch immer mein bundesdeutscher Beißreflex zugeschlagen, so dass ich am Ende natürlich mit einer ganzen Menge an Kohlehydraten zu kämpfen hatte.

Eifrige Leser dieses Blogs wissen nun, dass unser CMO Thomas S. sich immer mal wieder einen Spaß daraus macht, Mittwochs zur Begrüßung nach meinem Gewicht zu fragen, während er mir grinsend einen Klaps auf den Bauch verpasst. Wie sollte das nun heute Abend enden, wo ich die Zügel tatsächlich einmal hatte schleifen lassen?

Am Ende war es dann aber gar nicht so schlimm: Ein Kniff in die Speckfalte, eine beiläufige Frage ("Wie war es im Urlaub, außer dass du zugenommen hast?") - das war alles. Kurze Zeit später sollte mir jedoch klar werden, dass diese Probe ganz andere Schrecken für mich bereit hielt. Kommen wir also zum musikalischen Teil des heutigen Abends. Wir blicken ja auf eine ganze Reihe von Auftritten zurück, bei denen wir auch schon einige Stücke unserer aktuellen CD präsentiert haben. Die CD wird auch weiterhin im Fokus stehen, aber natürlich blicken wir in der Probenarbeit nach vorne, denn es ist unser Anspruch, regelmäßig ein komplett neues Programm aufzulegen, damit wir zumindest musikalisch keinen Speck ansetzen. Nach der Swing-Phase (CD: Count To Ten) und der Latin-Phase (CD: No More Blues) folgt deshalb nun ein Programm mit europäischem und deutschen Jazz.

Thomas betont zwar bei jeder Gelegenheit, dass die Band nicht demokratisch organisiert ist, hatte im Vorfeld aber trotzdem jedem die Gelegenheit gegeben, Wünsche zum neuen Programm zu äußern. Trotzdem wählt er als musikalischer Leiter natürlich auch einige Nummern aus, und diese gab es dann heute Abend zum ersten Mal (in diesem Fall einige sehr schöne Stücke von Rainer Tempel). Immer, wenn wir ein neues Programm beginnen, wird mir wieder neu bewusst, dass ich überhaupt nicht gut vom Blatt spielen kann, und ich werde ein wenig depressiv. Aber bitte, kein falsches Mitleid! Da muss ich jetzt einfach durch. Es fing auch gar nicht so schlecht an mit Am hellen Tage - ich traf einige Töne und die anderen trafen (genau wie ich) viele Töne auch nicht, so dass ich insgesamt noch ein halbwegs ausgewogenes Gefühl hatte. Das setzte sich bei Azzurro noch halbwegs fort, doch beim dritten Stück (mit dem Titel Ohne Worte) ereilte mich dann das erwartete Schicksal, und zwar schon in der ersten Zeile.


Sehen Sie die Viertelpause am Ende des einen Taktes, und die halbe Pause im darauffolgenden Takt, die tückischerweise auch noch von einer Viertelpause zu Beginn des nächsten Taktes ergänzt wird? Was soll ich sagen, ich habe das so nicht gesehen und deswegen kraft meiner Überzeugung, das Richtige zu tun, die zweite Pause instinktiv um einen Schlag verkürzt. Was besonders ungünstig war, weil alle diese Pause haben und ich die beiden Achtel gut hörbar in die Weite des Raumes spielte. Als mir dies trotz Warnung von vorne zum zweiten Mal hintereinander passierte, kam von Thomas nur noch ein "Mensch bist du blöd". Das tut natürlich weh, und umso mehr, als - wie wir gleich sehen werden - in dieser Band mit zweierlei Maß gemessen wird.

Es weiter mit dem Stück Der Professor, bei dem sich herausstellte, dass unser Starposaunist Stefan P. einen zu kurzen Arm hat. Bei einer Posaune wird der Ton ja bekanntlich tiefer, wenn man den Zug mit dem Arm nach vorne bewegt, also verlängert. Dieses Stück enthielt nun einen ganz besonders tiefen Ton, der mit Stefans Armlänge nicht kompatibel war. Ich habe dafür sehr viel Verständnis - schließlich sind meine Finger auch zu kurz, um anständig Trompete zu spielen. Thomas S. bemühte sich auch gleich, diese Verbindung aufzuzeigen. Wir konnten ihn glücklicherweise gerade noch davon abhalten, laut darüber nachzudenken, welche anderen Körperteile bei gewissen Mitgliedern des Saxophonsatzes ebenfalls zu kurz geraten sein könnten. So etwas kann ja leicht für böses Blut sorgen.

Bei diesem Stück setzte Harald S. (1. Tenor) an einer bestimmten Stelle zu früh ein, und Thomas erklärte ihm noch einmal, dass "auf die 1 und" bedeutet, dass man die 1 abwarten muss und dann erst spielen darf. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass Haralds Noten fehlerhaft waren, und unser CMO ließ es sich nicht nehmen, diese höchstpersönlich handschriftlich zu korrigieren:


Merken Sie was? Bei bestimmten Leuten, wie zum Beispiel mir, wird gar nicht erst davon ausgegangen, dass ein falscher Ton auf einen Fehler in den Noten zurückzuführen sein könnte. Was in gewisser Weise natürlich von einem gesunden Realitätssinn zeugt, aber könnte Thomas nicht wenigstens so tun? Bei der Nachbesprechung fragte ich ihn, ob ich jemals vom Trompetespielen würde leben können, und er bot mir spontan Einzelunterricht für eine Flatrate von 20.000 EUR im Monat an. Ob ich diese Chance nutzen sollte? Am besten warte ich noch die nächste Probe ab, bevor ich mich entscheide. Ich werde weiter darüber berichten.

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