Sic transit gloria mundi: Probe am 11. November 2009

Es ist erschreckend, aber wir müssen der Wahrheit ins Gesicht sehen: Der letzte Beitrag in diesem Blog stammt aus dem vorletzten Monat (30. September). Was ist los mit der SAP BIG BAND? Wird da nicht mehr geprobt? Hat die Band sich aufgelöst? Oder hat Ralf seinem zweiten Mann ein Schreibverbot erteilt?

Alles zum Glück falsch! Trotzdem hat es mir unheimlich gut getan, dass ich in den letzten Wochen mehrere solcher Anfragen erhalten habe. OK, es waren zwei, aber "zwei" ist auch "mehrere", oder? Und viel besser als eine oder keine.

Saxonaut zum Beispiel machte sich Sorgen um mein Verhältnis zu unserem CMO Thomas S.
Wie ich in meiner Antwort (siehe Abbildung) ausgeführt habe, war es in letzter Zeit aber lediglich ein bisschen schwierig, alle Termine unter einen Hut zu kriegen. Doch jetzt sind wir ja wieder glücklich vereint.

Eine andere Anfrage von einer mir sehr nahestehenden Person regte an, doch einmal etwas Positives über mich zu schreiben. Das ist natürlich im Bigband-Umfeld auf Grund der riesigen musikalischen Challenges äußert schwierig für mich. Zum Trost sei aber darauf hingewiesen, dass ich in meinem persönlichen Blog in letzter Zeit einige Beiträge geschrieben habe und dort auch ein hemmungsloses Selbstmarketing betreibe (Stichwort "Buchmesse").


Hinter den Kulissen


Auch wenn es hier im Blog einige Zeit lang ruhig war - im Hintergrund tut sich so einiges. Schließlich ist bald wieder Wahlkampf. Ich weiß, Sie glauben nicht mehr daran, dass ich es einmal schaffen werde, unseren Präsidenten Ralf. H. von seinem Thron zu stürzen. Und das Beste daran ist: Ich will es auch gar nicht. Aber es macht mir riesigen Spaß, so zu tun. Und da Ralf viel zu busy ist, um meine Blogbeiträge zu lesen (sonst würde er ja mal mit einem Kommentar auf sich aufmerksam machen - zwinker zwinker), steht auch nicht zu befürchten, dass er von meinen wahren Absichten erfährt.

Eine andere, äußerst wichtige Hinter-den-Kulissen-Tätigkeit bezieht sich auf eine SAP-interne Veranstaltung Anfang Dezember, bei der wir unsere neue CD (No More Blues, May 2009) vorstellen werden. Wie immer im Vorfeld einer solchen Veranstaltung lief in den letzten Wochen eine lebhafte Diskussion über ein geeignetes Plakatmotiv. Unser doppelbegabter Pianist und Grafiker Frank H. war eigentlich schon immer dafür, das (sehr gelungene) Artwork aus dem CD-Booklet wiederzuverwenden. Einige andere hielten dagegen, dass wir im letzten Jahr einigen weiblichen Bandmitgliedern und Fans versprochen hatten, in 2009 einen hübschen Mann auf dem Plakat abzubilden. Nur so konnten wir damals die Zustimmung zu einem weiteren Plakat erhalten, das eine schöne Frau zeigte (siehe Abbildung).

Also gingen wir auf die Suche nach einem schönen Mann. Bilder wurden gesichtet, besprochen, verworfen und schließlich, eines schönen Tages, traf ich Ralf H. an der Kaffeemaschine. Wir kamen ins Gespräch über das Plakat, und unsere versammelte Brainpower reichte aus, um einen an revolutionärer Simplizität nicht zu überbietenden Vorschlag auszubrüten. Dieser lautete: Wir nehmen für das Konzert im Dezember einfach das CD-Artwork und heben uns den schönen Mann für das nächste Konzert im Frühjahr auf. Ich eilte zurück an meinen Schreibtisch, um Frank eine diesbezügliche Nachricht zu senden, hatte jedoch das dumpfe Gefühl, dass unser Vorschlag irgendwie genau das widerspiegelte, was er schon längst vorgeschlagen hatte. Deswegen beendete ich meine Nachricht mit einem vorsichtigen Hinweis:
Nachdem Thomas S. per E-Mail seine Zustimmung signalisiert hatte, traf auch Franks Antwort ein:
Ich weiß nicht, irgendwie habe ich das Gefühl, dass er wirklich lange versucht hat, uns von dem genialen Vorschlag zu überzeugen, auf den wir dann irgendwann selbst gekommen sind. Na ja, gut. Reiten wir nicht länger darauf herum. In einem hochdynamischen Kreativumfeld gibt es eben gewisse Reibungsverluste. Das Gute an der Sache ist, dass Frank sich von Hornochsen wie uns nicht entmutigen lässt, und zur Zeit eifrig am Plakat bastelt. Wir freuen uns schon alle auf das Ergebnis.

So schlägt zur Zeit also der Puls der Band. Aber da dies hier ja eigentlich ein Probenbericht zu sein hat, will ich Sie nicht darüber im Unklaren lassen, wie es heute Abend musikalisch gelaufen ist. Betrachten wir also die Stücke, die wir heute Abend gespielt haben:


Azzurro


Diese Nummer üben wir schon seit einiger Zeit, aber bisher waren wir - zumindest in meinem Beisein - noch nicht dazu gekommen, die vorgesehenen Soloformen mit Leben zu füllen. Tatsächlich sieht das Stück an mehreren Stellen kurze Soli in verschiedenen Sätzen vor, und ich beobachtete ehrfürchtig, mit vor Staunen geöffnetem Mund, wie Thomas zu uns in die letzte Reihe kam und mit Ralf über "Akkorde mit der großen 7" fachsimpelte. Ich war froh, dass Ralf diesen Part übernehmen würde, denn Soloformen, in denen in jedem Takt ein anderer Akkord steht, waren für mich bisher immer mit großen Misserfolgen verbunden. Deswegen musste ich schlucken, als Thomas auch zu mir kam, und mir klarmachte, dass das Solo, das in der 3. Trompetenstimme vorgesehen war, selbstverständlich auch von mir ausgeführt werden müsse. Da er seine Pappenheimer kennt, fing er bei mir gar nicht erst an, über Akkorde zu sprechen, sondern sagte nur: "Wenn du dran bist, viel fuddeln". Dann trat er wieder nach vorne und sprach in seiner Weisheit zu allen: "Hier hat jeder mal einen Solo-Slot. Aufpassen, es geht schnell, ist aber auch schnell vorbei". Nach einigen Durchgängen geschah dann etwas, das noch nie da war und - wie mir meine Bandkollegen eilig zu versichern bemüht waren - auch nie wieder vorkommen wird. Thomas öffnete den Mund und sprach goldene Worte: "Der Hendrik ist der Einzige, der es fast richtig macht." Das ist der Ritterschlag! Das ultimative Kompliment! Eigentlich sollte ich die Band auf der Stelle verlassen, denn mehr geht hier für mich definitiv nicht. Thomas hat sogar noch andere (nette) Sachen gesagt, aber diese gebe ich in meiner Bescheidenheit nicht wieder.

Als wir anschließend eine bestimmte Stelle noch mal im Detail übten, sagte Thomas zunächst, alle Bläser sollten spielen, erwähnte dann aber noch im Besonderen die Trompeten. Daraufhin setzten die Posaunen aus, und als Thomas sie deswegen zur Rede stellte, blitzte einmal mehr das Genie unseres Ausnahmeposaunisten Stefan P. auf: In knappen, aber wohlgesetzten Worten erklärte er Thomas, dass ein lex generalis, ein allgemeines Gesetz (zum Beispiel: alle Bläser müssen spielen) von einem lex specialis, einem speziellen Gesetz (zum Beispiel: die Trompeten müssen spielen) stets außer Kraft gesetzt wird. Er erntete dafür zu Recht Szenenapplaus. Offenbar ist mit Stefan einer der letzten Bildungsbürger unter uns, und wir haben es so lange nicht gemerkt. Gut, dass das jetzt klar ist. So jemanden kann man schließlich immer gebrauchen.


Cactus

Die nächste Nummer haben wir heute zum ersten Mal gespielt, und an dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass unser Gitarrist Jens W. die Noten für die Band gekauft hat. Vielen Dank dafür, Jens! Das Stück bot unserem neuen Bassisten, Armin S., eine gute Gelegenheit, zu zeigen, was er drauf hat. Schließlich konnte Thomas am Anfang der heutigen Probe bekanntgeben, dass Armin nach einer Kennenlernphase nun fest dazugehört, worüber wir uns alle sehr freuen. Das letzte Konzert in diesem Jahr werden wir noch mit Heinz W. spielen - über seinen Abschied sind wir traurig, aber es ist gut, sich mit einem letzten Auftritt zu verabschieden. Und für nächstes Jahr freuen wir uns auf viele Auftritte mit Armin.

Cactus beginnt mit einem Bass-Intro, und nachdem wir es einmal im Übungstempo angespielt hatten, sagte Thomas zu Armin: "Du kannst das ja schon, dann können wir auch gleich schneller spielen". Kein schlechter Einstand, oder?

Ich selbst wurde bei diesem Stück schmerzhaft daran erinnert, dass der Ruhm dieser Welt (gloria mundi) ach so schnell vergeht (sic transit). Eben noch für mein Fuddel-Solo von Thomas gelobt, verpasste ich einen Einsatz, und das, obwohl ich ausnahmsweise mitgezählt hatte. Leider waren Thomas Ausführungen über die double time in Teil E vorher irgendwie an mir vorübergegangen, so dass ich nur halb so langsam zählte, wie es vorgegeben war. Leider war ich bis zum bitteren Ende davon überzeugt, Recht zu haben, und ließ mich auf ein öffentliches Streitgespräch mit Thomas ein. Bitte fragen Sie nicht, wer gewonnen hat.


Heartland


Als nächstes lag eine vielversprechende Nummer von Peter Herbolzheimer auf, von der wir heute Abend aber nur eine Aufnahme angehört haben (selbstverständlich mit begleitendem Notenstudium). Bei dem Trompetensolo im Mittelteil wurden spontan "Toni, Toni"-Rufe laut - bei manchen Soli kann man sich direkt vorstellen, wie er sie interpretieren wird. Davon abgesehen legte Thomas uns das Stück für eine Satzprobe ans Herz, und mir graut jetzt schon vor den vielen Sechzehnteln. Das muss man ja üben!


Ohne Worte

Das letzte Stück mit dem lustigen Titel haben wir nur einmal durchgespielt und durften dabei zwei äußerst balladeske Soli von Konsul Toni D. und Saxophonist Jochen R. genießen. Das war etwas fürs Herz! Die ganze Nummer gefällt mir gut - bis auf den Schluss. Dieser besteht nämlich aus einer heftigen Dissonanz, die nach Auflösung schreit, aber nicht erhört wird. Thomas kündigte heute Abend dazu folgendes an: "Wer auflöst, zahlt einen Kasten Bier". Da kann ich ja froh sein, dass ich das mit dem Auflösen vermutlich sowieso nicht hinkriegen würde.

Nachdem die Dissonanz verklungen war, öffnete unser CMO noch einmal den Mund und sprach abermals Worte, die unsterblich werden könnten: "Gut! Soll mir für heute gelangen!" Nun gut - wenn es ihm gelangt, wer sind wir, noch mehr zu fordern!

2 Kommentare:

  1. Bei einem so gelungenen Plakat wäre es auch verschwendung, wenn es nur zu einem Anlass genutzt würde :-)
    Aber dass, hat er Euch ja schon immer versucht klar zu machen ;-)

    Und Gratulation zum Ritterschlag ;-)

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  2. Danke! Ich fühle mich irgendwie leer, weil jetzt eigentlich nichts Besseres mehr kommen kann. Aber so ist das wohl nach großen Erfolgen. Wenn das Adrenalin abgebaut ist, fällt man in ein tiefes Loch.

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