Das Flügelhorn des Konsuls: Probe am 14. Juli 2010

Heute Abend war sozusagen die Stunde Null. Man könnte auch sagen: Der Tag eins nach dem Gurkenkonzert, zumindest was unsere Proben angeht. Was ich Ihnen mit diesem kryptischen Gefasel eigentlich sagen will, ist, dass wir letzte Woche Donnerstag das wichtigste Konzert in diesem Jahr gespielt haben - das Mitarbeiterkonzert bei SAP mit Vorstellung des neuen Programms - und heute deswegen eigentlich eine große Perspektivlosigkeit hätte herrschen müssen. Wenn man so lange auf ein Ziel hinarbeitet, besteht immer die Gefahr, in ein Loch zu fallen, wenn es (das Ziel, nicht das Loch) erreicht ist.
Glücklicherweise war auch die heutige, erste Probe nach dem Mitarbeiterkonzert gleich wieder eine Generalprobe, denn am Sonntag spielt die Band in der Villa Rustica in Hirschberg an der Bergstraße. Die Probe begann mit Cubano Chant, und unsere Leistung bei dieser Nummer schien unseren CMO Thomas S. leider überhaupt nicht zu überzeugen. Zumindest hat er uns gleich nach diesem ersten Stück ordentlich zusammengefaltet und gerade dem Trompetensatz noch einmal erläutert, dass das häusliche Üben zwar generell überbewertet werde, in unserem Fall aber durchaus helfen könne. Aua aua.
Durch diese Ansprache aufgeweckt und motiviert, arbeiteten wir uns durch das erste Set des Konzerts. Einzelne Bandmitglieder wurden dabei jedoch zunehmend unruhig. Dabei handelte es sich vor allem um die Besitzer von (a) Cabrios oder (b) Autos im Wert von 90.000 Euro, oder, einfacher gesagt, Anja R. und Thomas S.
Wir konnten durch das gläserne Dach des Walldorfer Schulungszentrums, in dessen Foyer wir normalerweise proben, nämlich genau beobachten, wie sich draußen ein ordentliches Unwetter zusammenbraute. Anja hatte wohl eher Angst vor einer Überschwemmung der Fahrgastzelle und konnte das Problem durch einen kurzen Besuch auf dem Parkplatz lösen. Thomas dagegen fürchtete Hagel, kam aber nicht auf die Idee, seinen Wagen ins Parkhaus zu fahren. Kurze Zeit später gab es einen ordentlichen Schlag und die Deckenbeleuchtung ging aus. Die Band wurde nur noch von der Seite angestrahlt und in ein märchenhaftes Licht getaucht. Hier durfte ich die Entdeckung machen, dass Olli B. im Schattenwurf an der Wand noch viel besser rüberkommt als in Wirklichkeit. Irgendwie kantiger, markanter, männlicher. Und vor allem leiser. Wirklich toll.
Irgendwann konnten die Wolken ihre Fluten nicht mehr halten, der Regen (kein Hagel - 90.000 Euro gerettet) prasselte herab, die Luft wurde kühler und feuchter und mir wurde schon beim hohen F schwindlig. Ich scheine auf meine alten Tage wetterfühlig zu werden. Mit Müh und Not erreichte ich die Pause, in der mir unsere neue, starke Frau am Baritonsaxofon, Anna T., netterweise ein Glas Wasser servierte, damit ich wieder auf die Beine kommen würde.
Auch Thomas S. servierte uns in der Pause Nettigkeiten, denn er bescheinigte uns in seinem Rückblick auf das Konzert in der vergangenen Woche eine gute Leistung ohne musikalische Fehler. Darauf können wir stolz sein! Wir stiegen auch kurz in die ewige Diskussion über unsere musikalische Ausrichtung ein (eingängige Standards versus individuelle Profi-Arrangements), beschlossen aber, das Thema auf die nächste Hauptversammlung zu vertagen. Schließlich gab es noch einiges für das zweite Set des Hirschberg-Konzerts zu proben. Ein absolutes Highlight in diesem Teil der Probe war - wieder einmal - das Stück Ohne Worte. Jochen R. und Konsul Toni D. hatten mich mit ihren Soli bei diesem Stück während des Probenwochenendes wirklich tief berührt (ich sage das ohne Ironie) und insofern die Messlatte sehr hoch gelegt. Heute Abend lagen die Noten für die Solo-Trompetenstimme nicht vor, so dass Toni seinen Teil nicht spielen konnte.
Deswegen lieh Thomas S. sich kurzerhand das Flügelhorn des Konsuls aus, spielte seinen Part von der Partitur ab und übernahm auch gleich das Solo. Jochen konnte heute Abend nicht anwesend sein und wurde von Michael G. mehr als würdig vertreten.
Kommen Sie also unbedingt am Sonntag nach Hirschberg - alleine wegen dieses Stücks lohnt es sich.
Ich selbst durfte gegen Ende wieder das Solo bei Heartland spielen, an dem ich schon viel Freud und Leid erfahren habe. Wenige Takte vor der Soloform reichte ich Thomas mein Handy (mit eingeschalteter Kamera), weil ich ein einziges Mal auch im Probenbericht abgebildet sein wollte.
Er nahm dann auch gleich noch sein iPhone (ich glaube zumindest, dass es eins war) und fertigte eine Tonbildaufnahme meines Solos an. Es tut mir natürlich unheimlich leid, dass ich Ihnen das jetzt zumuten muss, aber wenn er sich schon so viel Mühe gibt, soll sie nicht umsonst gewesen sein. Sobald er mir das Video geschickt hat, werde ich es ohne Rücksicht auf Verluste hier einstellen. Schonungslos. Die Wahrheit muss ans Licht.
Gänzlich unerwartet passierte dann heute Abend beinahe etwas, von dem wir schon lange träumen. Wie Sie als eifrige Leser dieses Blogs wissen, heißt unser größter und treuster Fan Frl. Czernatzke. Sie meldet sich immer mal wieder hier zu Wort, gibt sich aber betont geheimnissvoll und hütet ihre wahre Identität. Nur El Presidente Ralf H. weiß, wer sie ist, und er schweigt wie ein Grab. Heute Abend erhielt er tatsächlich während der Probe eine SMS von ihr, in der sie sich ein bestimmtes Stück wünschte, weil sie in Hörweite sei! So nahe sind wir uns vermutlich selten gekommen, und doch bleibt ihr Geheimnis bestehen. Sie war kurz bei uns, gab sich aber nicht zu erkennen und verschwand wieder hinter dem Schleier ihrer Ungreifbarkeit. Schluchz. Es hat nicht sollen sein.
Der Abend endete trotzdem versöhnlich. Man traf sich im Erbprinz in Walldorf und bestellte kräftige Speisen zur Erbauung und Stärkung. Thomas S. schwamm dabei aber etwas gegen den Strom, weil er gerade dabei ist, seine Bikinifigur für den Toskana-Urlaub vorzubereiten. Er hielt sich an Wasser und Salat und schaffte es tatsächlich, keine einzige meiner Bratkartoffeln (auf denen ein ordentlicher Batzen Fleischkäse mit Spiegelei ruhte) zu klauen. Respekt. Ich fühlte mich nach dieser ebenso späten wie opulenten Mahlzeit auch wirklich schuldig, während Thomas mit aufrechtem Haupt und schlanker Linie nach Hause gehen konnte. Dafür hat er sicher jetzt schlechte Laune. Hungern macht nicht glüclich. Letztendlich war das aber alles nichts gegen die Orgie, die unser Konsul Toni D. veranstaltete. Er hatte nur einen Joghurt zu Mittag gegesseen und sich durch das mit Kreide angeschriebene Tagesgericht "Spare Ribs mit viel Fleisch" locken lassen. Solche Formulierungen sind ja häufig übertrieben, aber in diesem Fall hätte selbst "Fette Fleischplatten mit Knöchelchen" nur ungenügend beschrieben, was Toni auf seinem Teller wiederfand.
Als der Rest der Runde schon beim Espresso war, steckte er immer noch bis zu den Schultern zwischen den Rippchen und bahnte sich seinen Weg durch die Fleischmassen. Am Ende musste er sich geschlagen geben und einen Teil zurückgehen lassen, aber ich bin sicher, dass er heute Nacht gut schlafen wird. Zumindest wenn er auf dem Rücken liegt.
Wir haben übrigens zwischen Rippchen, Bier und Salatblättern auch wichtige Themen erörtert. Schließlich heißt das Ganze "Probennachbesprechung". Wichtigstes Thema: Wir sollten bald mal wieder eine CD aufnehmen. Ob das Motto dieses neuen Albums Straight European Jazz heißen wird oder anders, steht noch in den Sternen. Wir spielen jetzt noch zwei Auftritte (Hirschberg und SAP-Sommerfest) und dann machen wir eine Pause. Anschließend kümmern wir uns um die Sterne. Es ist nie zu spät, nach ihnen zu greifen.

2 Kommentare:

  1. Frl. Czernatzke ...
    wir sind uns gestern zufällig über den Weg gelaufen und ich habe sie für eine Sekunde gesehen.
    Hier der Steckbrief:
    Geschlecht: weiblich
    Alter: 27 (aussehend)
    Größe: 175 cm (geschätzt)
    Augenfarbe: dunkel/braun
    Farbe der Haare: schwarz
    Figur: schlank und sportlich
    Lächeln: 10 (1 bis 10)
    Freundlichkeit: 10 (1 bis 10)
    Attraktivität: 10 (1 bis 10)
    gelegentlicher Aufenthalt: im Fitnessraum
    gelegentliches Bloggen: im SBB Blog
    bekannt mit Ralf H.

    Und wer vom Ausschauhalten nach Frl. Czernatzke Hunger bekommen hat, dem kann ich die Rippchen nur empfehlen. Am nächsten Morgen kann man sich auch das Frühstück noch ersparen. Dazu sollte man das Fleisch in möglichst großen Bissen schlucken, dann halten die Happen im Magen länger und man legt durch die verlängerte Verdauung nicht so zu. Aber wer hat noch diese Erkenntnisse aus der Steinzeit. Als die Männer noch richtige Jäger waren.
    Servus Toni D.

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  2. Euer Konzert in Hirschberg: wunderbar! Tolle Musik, ein Ort, der schöner kaum sein könnte und als Zugabe Comedy-Einlagen von Thomas Siffling: das Leben kann so angenehm sein.

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