Grippeschutz oder gordischer Knoten? Probe am 22. September 2010

Die jährliche Sommerpause ist eine gute Gelegenheit, ein wenig Abstand zu gewinnen und sich wieder auf die Bigband-Probe am Mittwochabend zu freuen. In diesem Jahr dauerte sie unfreiwilligerweise eine Woche länger, weil sich so viele Teilnehmer von der ersten Probe am 15. September abmeldeten, dass uns nur eine Absage blieb. Heute ging es aber wieder los, und es wurde auch Zeit. Schließlich steht schon in wenigen Wochen, am 13. Oktober, der nächste Auftritt an.
Heute ist es fast auf den Tag genau zwei Monate her, dass wir als Band zusammen auf der Bühne standen. Am 23. Juli 2010 spielten wir - mit tatkräftiger Unterstützung von Chris Perschke (Gast-Bandleader) und Jens Loh (Gast-Bassist)  - auf dem Sommerfest von SAP in Walldorf. Der Veranstalter dieses perfekt organisierten Events hatte uns damals mitgeteilt, dass wir um 18.00 Uhr für eine Stunde auf der "Kinderbühne" spielen sollten. Als ich mir die "Location" (so sagt man das im Showbusiness) anschaute, fragte ich mich, wie denn wohl erst die Hauptbühne aussehen würde. Was wir vorfanden, war nämlich eine geräumige Bühne mit anständiger Ausstattung, Scheinwerfern und zwei kompetenten Technikern. Für eine Kinderbühne also ganz ordentlich. Später wurde mir aber klar: Es geht noch größer. Viel größer. Auf der Hauptbühne hätten wir alle im Liegen spielen können, ohne uns in unangemessener Weise oder sonst irgendwie zu berühren. Einfach gigantisch. Sollte es unser Ziel sein, im nächsten Jahr dort oben zu stehen?
Zwei Monate keine Probe - das ist eine lange Zeit. Besonders, wenn man ein Blasinstrument spielt und selbiges während der ganzen zwei Monate in der Ecke stehen lässt. Das führt nämlich oft dazu, dass man in den ersten fünf bis zehn Minuten mit strahlendem Ton und überreichem Volumen spielt, als sei einem die Trompete oder Posaune in die Wiege gelegt worden (zu den Saxophonen, unseren "Holzbläsern" (kicher kicher) kann ich nichts sagen) und dann mit einer schlagartigen Muskelverhärtung in Kiefern und Lippen entweder schrecklich leidet oder sogar aufgibt. Um mir solch ein Schicksal zu ersparen, hatte ich mein Instrument am 13. September aus dem Sommerschlaf geweckt, die Ventile geölt und an den folgenden Tagen jeweils zehn Minuten in den Feierabend hineingetrötet. Als die Probe heute Abend begann, war ich mir aber sehr unsicher, ob dieses leichte Training mich für zwei Stunden mit unserem CMO Thomas S. fit genug gemacht hatte. Das Ganze wurde auch nicht einfacher durch die Tatsache, dass unser Bandleader sich in körperlicher Bestform präsentierte (ich schätze minus 10 Pfund), während ich immer noch 500 Gramm Urlaubsspeck zu viel dabei hatte. Davon abgesehen muss ich aber sagen - so viel darf ich vorwegnehmen -, dass ich mit meiner Performance heute Abend nicht unzufrieden bin. Wir haben zehn Stücke gespielt, bei einer Nummer war sogar ein Solo für mich dabei und auch beim letzten Stück kam noch deutlich mehr als heiße Luft aus der Trompete. Weh getan hat es auch nicht. Vielleicht hat es ja an der Grippeschutzimpfung gelegen, die ich ein paar Stunden vorher beim Betriebsarzt bekommen hatte? Vielleicht stärkt der Impfstoff auf geheimnisvolle Weise die Lippenmuskulatur? Das wäre natürlich eine Sensation.
Aber fangen wir von vorne an: Die Probe begann mit Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt, um uns, so Thomas, "in den Feierabend zu grooven". Bevor wir loslegten, bat der CMO uns darum, es "lautstärketechnisch entspannt" anzugehen, und ich hatte den Eindruck, dass er dabei intensiv in Richtung Olli B. (Schlagzeug) schaute. Dieser fühlte sich auch gleich angesprochen (warum nur?) und versprach, zumindest die ersten Takte leise zu spielen. Abgesehen von der Lautstärke hielt das Stück aber eine Überraschung für uns bereit, denn was passiert normalerweise, wenn die SAP BIG BAND nach zwei Monaten Pause wieder zusammenkommt? Es herrscht Chaos, und musikalisch kommt erst einmal nur ziemlicher Schrott dabei heraus. Nicht so heute. Das klang gleich beim ersten Stück schon sehr respektabel. Thomas S. zeigte sich einigermaßen erstaunt über unser anmutiges Musizieren, mahnte aber gleich dazu, den Tag nicht vor dem Abend zu loben.
Vor dem nächsten Stück hatte El Presidente Ralf H. die Stirn, der Band mitzuteilen, dass ein Mitglied seines Haushalts kürzlich damit begonnen habe, Altsaxophon zu spielen. Saxophon! Im Hause eines Trompeters! Vereinzelt mag diese Neuigkeit ja vielleicht sogar auf Gegenliebe stoßen, aber im Trompetensatz war die Sache klar: Ralf ist raus. Musikalisch ist der Mann erledigt. Wenn wir solch einen Affront durchgehen ließen, könnte ja gleich jeder machen, was er will. Unglaublich so etwas.
Nun gut, wir mussten uns trotzdem irgendwie sammeln, denn die nächste Nummer lag schon auf den Notenständern. Es handelte sich um Don't You Be Worried, eine groovige Soulnummer, bei der man schön Solo spielen kann. Leider muss ich in diesem Zusammenhang aber eine ganz fiese Geschichte aufdecken. Normalerweise spielt Clemens J. das Saxophonsolo bei diesem Stück. Auch heute wäre dies sein Solo gewesen, doch bevor er das Instrument zum Munde führen konnte, war Jochen R. zur Stelle und schnappte ihm den Solopart mit eiskalter Präzision vor der Nase weg. War das eine verspätete Reaktion auf die ganz ähnlichen Ereignisse bei unserem letzten Probenwochenende, wo Jochen der Leidtragende war? Wir können es nur vermuten. Er war mit seiner Aktion allerdings nicht erfolgreich, denn Thomas S. schritt mit ruhiger, aber dennoch mitleidslos strafender Hand ein, um die Ordnung im Satz wiederherzustellen. Und nur wenige Momente später teilte diesselbe Hand das Trompetensolo unserem geschätzten Präsidenten zu, obwohl ich mich nicht erinnern kann, dass er es schon einmal gespielt hätte. Ist das gerecht? Nein. Ist es konsequent? Wohl kaum. Müssen wir es verstehen? Zum Glück nicht. Entscheidend ist, dass die Band auch dieses Stück sehr gut spielte, so dass Thomas S. sich weiter wundern musste. Er führte diesen unerwarteten Erfolg dann aber auf die Einfachheit der ersten beiden Nummern zurück und ließ ein anspruchsvolles Stück von Rainer Tempel auflegen. Als diese Nummer - sie heißt An hellen Tagen - auch zu Ende gespielt war, gab er sich geschlagen und fragte ungläubig: "Habt ihr letzten Mittwoch geprobt?". Was für eine Sensation! Das war noch nie da.
Gehen wir also kurz in die Analyse. Warum hat es heute Abend so gut geklappt? Ist es vielleicht wirklich so, dass die Gurkentruppe allmählich erwachsen wird? Ich hatte so etwas ja schon nach dem Probenwochende vermutet. Oder waren die anderen heute auch alle bei der Grippeschutzimpfung? Dann sollten wir unbedingt ein paar Paletten des diesjährigen Impfstoffes einlagern, denn nächstes Jahr wird er ja schon wieder ganz anders aussehen. Vielleicht ist es auch so, dass eine exakt zweimonatige Sommerpause in besonderer Weise der biologischen Disposition des durchschnittlichen Amateurmusikers entspricht und sich förderlich auf die musikalische Leistungsfähigkeit auswirkt? Alles gut möglich, aber es gibt auch noch eine andere Erklärung. Wie eingangs schon erwähnt, hätte die erste Probe nach der Pause eigentlich schon letzte Woche stattfinden sollen, musste aber wenige Stunden vor Beginn abgesagt werden. Vielleicht ist dadurch ja sozusagen ein gordischer Knoten geplatzt. Alle waren fürchterlich aufgeregt vor der ersten Probe, weil ihr Instrument seit zwei Monaten in der Garage gestanden hatte. Und da bekamen sie durch eine glückliche Fügung eine Schonfrist von einer Woche geschenkt, gingen nach Hause und trugen das Saxophon, die Posaune, die Trompete, den Bass, das Schlagzeug, die Gitarre und das Klavier hoch erhobenen Hauptes an der Garage vorbei ins Wohnzimmer und übten fürderhin was das Zeug hielt. Ja, ich glaube, so muss es gewesen sein. Deswegen beendete unser CMO die Probe zu Recht mit einem knappen, aber anerkennenden Kommentar: "Gut. Vielen Dank. Erstaunlich." Starposaunist Helmut G. antwortete darauf im Namen der Band: "Nächste Woche wird es bestimmt wieder besser." Vermutlich hat er Recht. Genießen wir den Erfolg, solange er währt. Prost.



2 Kommentare:

  1. Wie wär`s denn mit folgender Theorie: die Lead-Stimmen konnten die Form konservieren, wir haben abgehangene Stücke gespielt, waren alle locker, und wir konnten uns alle sehr gut hören.
    Alles andere ergibt sich dann von selbst.

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  2. Ist natürlich auch eine Möglichkeit :)

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