Der Champagner des kleinen Mannes: Probe am 29. September 2010

Ein herkömmlicher Probenbericht würde vermutlich zu Beginn erwähnen, dass heute Abend die Generalprobe für unseren Auftritt in Schwetzingen am 13. Oktober 2010 stattfand. Dies ist auch durchaus erwähnenswert, doch viel wichtiger erscheint mir eine andere Tatsache: Heute war eindeutig der Abend des Ralf H. Unser geschätzter Präsident machte nämlich gleich mehrfach von sich reden (später mehr davon). Ich selbst dagegen befinde mich ganz eindeutig auf dem absteigenden Ast. Alles begann damit, dass ich heute Morgen den Fehler machte, auf die Waage zu steigen, wo ich drei neuen Pfunden begegnete, mit denen ich nicht gerechnet hatte. Ich versuche seitdem, mir einzureden, dass es sich um eintausendfünfhundert Gramm frische Wadenmuskeln handelt, denn ich war in den letzten drei Wochen öfters Joggen als in den sechst Monaten vorher.
Nun mögen sie sich fragen, was meine Gewichtszunahme mit der Bigband-Probe zu tun hat. Nun, es hat sich in den letzten Jahren eingebürgert, dass man in der Probe auch immer auf den körperlichen und modischen Gesamtzustand der anderen achtet und etwaige Schwächen erbarmungslos anprangert. So musste ich mir von den beiden heute anwesenden weiblichen Bandmitgliedern anhören, dass meine neue Kurzhaarfrisur keine gute Entscheidung darstelle und ich auch sonst heute nicht besonders gut aussehe. CMO Thomas S. setzte noch einen oben drauf, indem er sich nun schon zum zweiten Mal darüber mokierte, dass meine Augenringe beim Solospiel so deutlich hervortreten würden. Das war natürlich schon eine geballte Ladung negativer Schwingungen. Man könnte glatt depressiv werden. Ich kann es aber nicht. Das Leben ist einfach zu schön.
Trotzdem dann auch noch das: Die Probe begann mit Heartland. Bei diesem Stück darf ich ein Trompetensolo spielen, was grundsätzlich leichter fällt, wenn man sich schon ein bisschen warm gespielt hat. Zu allem Überfluss fiel mir ein, dass ich in der letzten Woche irgendwie überhaupt nicht zum Trompeteüben gekommen war. Außerdem - was für eine Pechsträhne - war Drummer Olli B. nicht anwesend, der mit seiner Schlagkraft zum einen falsche Töne zu überdecken weiß und zum anderen dafür sorgt, dass ich halbwegs im Takt spiele. All dies führte dazu, dass ich zu Recht - im Gegensatz zu letzter Woche - kein Lob von unserem CMO erntete. Dabei brauche ich seinen Zuspruch doch wie die Blumen das Wasser! Aber es geschieht mir recht. Wer nicht übt, ist selbst schuld.
Nun zurück zu El Presidente Ralf H. Der Gute setzte gleich zu Beginn einen deutlichen Akzent, indem er pünktlich zur Probe erschien. Das ist für Normalsterbliche zwar nur eine durchschnittliche Leistung, doch unser guter Dr. H. bekennt sich normalerweise aktiv zum akademischen Viertelstündchen und schlendert entspannt herbei, wenn die anderen schon mit den Noten kämpfen Nicht so heute - er war von Anfang an dabei, verbreitete gute Laune und hatte auch immer wieder ein freundliches Wort für mich. Dummerweise mag unser CMO es gar nicht, wenn wir nicht aufpassen, und als er uns zum wiederholten Male beim Schwätzen erwischte, sagte er: "Manchmal könnte ich mir vorstellen, euch beide zu trennen." Das wäre natürlich für beide Seiten ein extrem harter Schlag. Wir müssen das irgendwie abwenden.
Glücklicherweise ruhte die Aufmerksamkeit von Thomas S. aber auch noch auf anderen Dingen. Zum Beispiel auf unserem Gasttrompeter Manni K., der heute Abend dabei war, weil er uns auch in Schwetzingen unterstützen wird. Er ließ sich gleich zu einigen Soli überreden, und sein Einsatz bei Quiet Nights of Quiet Stars (Corcovado) verzauberte den gesamten Saxophonsatz derart, dass die Herren und Damen Holzbläser kollektiv den nächsten Einsatz verpassten. Das ist peinlich, aber man kann es verstehen. So ein richtiges Blasinstrument aus Blech klingt eben doch anders. Da lässt man sich gerne mal ablenken und beginnt zu träumen. Vielleicht fragt man sich auch, wie alles gekommen wäre, wenn man sich damals auf der Musikschule anders entschieden hätte. Tja, der Zug ist nun abgefahen. Tut mir leid, aber es hilft ja nichts, um den heißen Brei herumzureden.
In diesem Zusammenhang ist es aber höchst interessant, dass die Geschichte mit dem Saxophon im Hause eines Trompeters (Ralf H.), die letzte Woche ans Tageslicht gelangte, weitere Kreise zu ziehen scheint. Thomas S. wusste aus zuverlässiger Quelle zu berichten, dass Ralf heimlich damit begonnen hat, Saxophon zu üben, um Jochen R. von seinem Platz zu verdrängen. Wir waren schockiert. Immerhin eröffnete der CMO dem Präsidenten, dass er als Altist in dieser Band kein Zukunft haben werde und empfahl eine Bewerbung bei der Porsche Big Band.
Nun, wir werden die Situation weiter zu beobachten haben. Leistungsträger muss man zu halten wissen, wenn man sie nicht verlieren will. Auf der anderen Seite zeigte Ralf gegen Ende der Probe eine leichte Schwäche, die eigentlich nur gespielt und kalkuliert sein konnte. Er beschwerte sich nämlich darüber, dass die straffe Probendurchführung des CMOs ihm nicht einmal die Gelegenheit gebe, seine Kehle mit einem Schluck Wasser anzufeuchten.
Wer in der SAP BIG BAND, die nun einmal als Haifischbecken bekannt ist, eine solche Bemerkung macht, ist nun wirklich selbst schuld. Schon heute Abend zeichnete sich ab, dass die trockene Kehle zu einem Leitmotiv der künftigen Probenarbeit werden wird. So manch einer fasste sich nach einem falschen Ton oder verpassten Einsatz an den Hals und entschuldigte seine schlechte Leistung mit akutem Wassermangel.
Und wie reagierte der Präsident auf diese Sticheleien? Wie ein ganz Großer: In einer kurzen Pause zwischen zwei Stücken verschwand er kurz in der Kantine, kehrte mit einem Glas zurück, tänzelte dann leichtfüßig zum Wasserspender im Foyer und schwebte mit einer ordentlichen Portion Sodawasser auf seinen Platz zurück. Diese genoss er dann demonstrativ in vollen Zügen. Wie dieser Mann, der einen ausgezeichneten Ruf als Weinkenner hat, selbst einfachste körperliche Bedürfnisse nicht nur zu stillen, sondern zu zelebrieren weiß, ist beispiellos. Wir verstanden plötzlich, warum man das Sodawasser auch als den Champagner des kleinen Mannes bezeichnet. Nehmen wir uns ein Beispiel.
Nachdem das letzte Stück gespielt war, fuhr der harte Kern Richtung Nussloch, um ein neues Lokal auszuprobieren. Dessen Name ist mir leider nicht präsent, aber es liegt in der Nähe des Walldorfer Flughafens und hat früher einmal Tante Ju geheißen. Wir haben es uns ja zur Aufgabe gemacht, Newcomern in der Walldorfer Gastronomie eine Chance zu geben und sich einen Platz auf der Liste unserer Stammlokale zu erobern (wo zur Zeit das Tournedo und La Tortuga um Platz 1 kämpfen). Die meisten von uns waren recht angetan - die Platzhirsche auf der Liste müssen sich also ins Zeug legen, um ihre Position zu behaupten.
Wir beschlossen, im Februar oder März 2011 unseren großen Erfolgen einen weiteren hinzuzufügen und eine neue CD aufzunehmen. Natürlich muss die Band diesem Plan noch zustimmen, aber bisher waren unsere CD-Projekte immer eine runde Sache. Deswegen hoffen wir, dass alle mitziehen. Im Hinblick auf das Thema des neuen Albums wurden heute Abend auch schon einige vielversprechende Konzepte diskutiert. Davon eignet sich allerdings nicht alles für den öffentlichen Diskurs. Deswegen machen wir hier einen Schnitt und freuen uns einfach alle gemeinsam auf das Ergebnis. Weitere Details werde ich aber schrittweise in diesem Blog enthüllen - bleiben Sie dran.










4 Kommentare:

  1. Der Blogartikel hört sich fast schon nach Wahlkampf an. Kommt bald die JHV? Mit dieser mächtigen SAPBIGBANDEVSHORTFINGERBLOGPROPAGANDAMASCHE könntest Du es diesmal schaffen den Präsidentensessel von El Presitente anzusägen. Ob das Hartholz zusammenkrachen wird bleib dahin gestellt.
    TD

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  2. An den Germanisten: schreibt man Waage jetzt wirklich nur mit einem 'a'?

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  3. Nur wenn man sich bis nach Mitternacht die Finger wundschreibt. Ansonsten natürlich unverzeihlich ... Danke :)

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  4. Als was soll der Präsident Ralf H. sich denn bei der Porsche Big Band bewerben? Als Dirigent oder als Manager? Andere Posten sind nicht frei ...

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